1998 / 33- 272

33. Auszug aus dem Urteil der ARK vom 23. September
1998 i.S. K.E., Sierra Leone

Art. 16abis Abs. 1-3 AsylG[1]: Nichteintreten auf ein Asylgesuch, missbräuchliche Nachreichung eines Asylgesuches.

Für die Annahme von "Hinweisen auf eine Verfolgung", welche gemäss Abs. 3 Bst. b der neuen Bestimmung von Art. 16abis AsylG zum Eintreten auf das Asylgesuch führen, ist - der bestehenden Praxis zu Art. 16 Abs. 2
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
AsylG entsprechend - ein tiefes Beweismass anzuwenden (E. 4b).

In casu genügen die unsubstantiierten, in weiten Zügen tatsachenwidrigen und überdies widersprüchlichen Vorbringen diesen Voraussetzungen nicht (E. 4c).

Art. 16abis , al. 1-3 LAsi [2] : non-entrée en matière sur une demande d'asile, dépôt ultérieur abusif d'une demande d'asile.

Pour admettre l'existence d'"indices de persécution" qui, selon le nouvel article 16abis , 3e alinéa , lettre b LAsi, permettent d'entrer en matière sur une demande d'asile, le degré de preuve exigé ne doit pas être élevé et ce conformément à la jurisprudence actuelle relative à l'article 16, 2e alinéa LAsi (consid. 4b).

In casu, toutefois, les allégations du requérant, lesquelles sont inconsistantes, qui plus est contradictoires et, dans une large mesure, contraires à la réalité, ne satisfont pas à cette condition (consid. 4c).

[1] In der Fassung gemäss Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen im Asyl- und Ausländerbereich (BMA) vom 26. Juni 1998, i.K. seit 1. Juli 1998; AS 1998 1582 ff.
[2] Dans la version de l'Arrêté fédéral sur les mesures d'urgence dans le domaine de l'asile et des étrangers du 26 juin 1998 (AMU), en vigueur depuis le 1er juillet 1998, RO 1998 1582 ss.


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Art. 16abis cpv. 1-3 LAsi [3]: non entrata nel merito di una domanda d'asilo, presentazione successiva abusiva di una domanda d'asilo.

Per ammettere l'esistenza d'"indizi di persecuzione", i quali secondo il nuovo articolo 16abis cpv. 3 lett. b comportano l'entrata nel merito della domanda d'asilo, va applicato un grado di verosimiglianza ridotto, conformemente alla giurisprudenza attuale relativa all'art. 16 cpv. 2 LAsi (consid. 4b).

In casu, le allegazioni non sostanziate, in larga misura contrarie ai fatti e per di più contraddittorie non soddisfano tale requisito (consid. 4c).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Der Beschwerdeführer wurde am 22. Juli 1998 in Zürich aufgrund des Verdachtes des Diebstahls oder der Hehlerei festgenommen. Er wies sich dabei mit einem britischen, auf den Namen D. N. S. lautenden Reisepass aus, der sich aufgrund einer später durchgeführten Dokumentenüberprüfung als gefälscht herausstellen sollte. Am 23. und 24. Juli 1998 wurde der Beschwerdeführer von der Stadtpolizei Zürich einvernommen; er hielt zunächst an seiner angeblichen Identität S. fest, um schliesslich einzuräumen, er heisse K. E. und sei Staatsangehöriger von Sierra Leone. Unter anderem gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, er sei bereits ungefähr am 12. Juni 1998 in die Schweiz eingereist.

Mit Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 24. Juli 1998 wurde der Beschwerdeführer wegen Hehlerei, Fälschung von Ausweisen sowie Widerhandlung gegen das ANAG zu einer bedingt ausgesprochenen Gefängnisstrafe von 60 Tagen verurteilt. Auf Verfügung der Bezirksanwaltschaft Zürich wurde der Beschwerdeführer in der Folge der Fremdenpolizei zugeführt.

Am 25. bzw. 27. Juli 1998 verfügte die Fremdenpolizei des Kantons Zürich die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz, ordnete seine Ausschaffung an und verfügte die Ausschaffungshaft. Das Bezirksgericht Zürich bewilligte diese vorerst bis zum 24. Oktober 1998.

[3] Nella versione del Decreto federale concernente misure urgenti nell'ambito dell'asilo e degli stranieri (DMAS) del 26 giugno 1998, in vigore dal 1o luglio 1998; RU 1998 1582 segg.


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Mit einem an die Fremdenpolizei adressierten Schreiben vom 27. Juli 1998 sowie mündlich anlässlich der Verhandlung vor dem Bezirksgericht Zürich am 28. Juli 1998 stellte der Beschwerdeführer - unter seiner Identität als K. E. - ein Asylgesuch. In Anwesenheit einer Hilfswerkvertretung hörte die kantonale Behörde den Beschwerdeführer am 12. August 1998 zu seinen Asylgründen an.

Der Beschwerdeführer machte im wesentlichen geltend, er sei in Freetown geboren und dort bis zu seinem zwölften Lebensjahr aufgewachsen. Im Jahr 1986 seien seine Eltern mit den Kindern in die USA gezogen, wo sein Vater als Arzt und seine Mutter als Lehrerin gearbeitet hätten; er selber habe in New York die High School besucht und später in einem Nachtclub gearbeitet. Im September 1995 seien seine Eltern nach Sierra Leone zurückgekehrt; dort seien sie umgebracht worden. Der Beschwerdeführer und sein älterer Bruder ihrerseits seien im Dezember 1995 nach Sierra Leone zurückgekehrt; man sei über Paris nach Senegal geflogen und von dort aus auf dem Landweg weitergereist. Bei der Einreise nach Sierra Leone - es habe sich um die Grenze zwischen Sierra Leone und Gambia gehandelt - sei der Bus von einer Gruppe Rebellen angehalten worden, welche unter Waffendrohungen alle Männer aus dem Bus geholt und zu ihrem Basis-Lager gebracht hätten. Bei den Rebellen habe es sich um die "People Liberation Front (PLF)" gehandelt, welche das Gebiet um die Stadt Limba unter ihrer Kontrolle halte. Man sei gezwungen worden, sich den Rebellen anzuschliessen; dem Beschwerdeführer hätten die Rebellen alle Dokumente - namentlich seinen sierraleonischen
Reisepass, seine amerikanische Green Card und seinen Führerausweis - abgenommen. Der Beschwerdeführer und sein Bruder seien insgesamt sechs Monate im Lager der Rebellen gewesen, bis ihnen die Flucht gelungen sei. Über Burkina Faso, Mali, Algerien, Libyen und Marokko sei man nach Spanien gelangt, wobei diese Reise ein ganzes Jahr gedauert habe; in Mali habe der Beschwerdeführer seinen Bruder aus den Augen verloren. Von Spanien über Frankreich sei der Beschwerdeführer nach Frankfurt - zu einem Freund in der US-amerikanischen Militärbasis - gereist; über die Schweiz habe er nach Kanada reisen wollen, um von dort in die USA zurückzukehren. Ein erstes Mal habe er sich bereits im Frühjahr 1998 in der Schweiz aufgehalten, damals aber noch keinen Pass, sondern nur einen von jenem Freund besorgten Militär-Identitätsausweis besessen, womit eine Reise nach Kanada sich als unmöglich herausgestellt habe. Im Mai 1998 habe ihm dann seine in London lebende Schwester den britischen Reisepass besorgt, mit welchem er erneut in die Schweiz eingereist sei. Nach Sierra Leone könne er nicht gehen; dort würde man ihn nun als Sympathisanten der Rebellen verdächtigen; nachdem sein Name nunmehr bekannt sei,


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müsste er befürchten, festgenommen und lebenslang inhaftiert oder gar umgebracht zu werden.

Mit Verfügung vom 18. August 1998 - eröffnet am 24. August 1998 - trat das BFF gestützt auf Art. 16abis AsylG auf das Asylgesuch nicht ein. Gleichzeitig ordnete es die Wegweisung des Beschwerdeführers aus der Schweiz an und stellte fest, einer allfälligen Rückkehr nach Sierra Leone stehe nichts entgegen. Einer allfälligen Beschwerde gegen diese Verfügung entzog das BFF die aufschiebende Wirkung.

Gegen diese Verfügung reichte der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter am 15. September 1998 Beschwerde ein, unter anderem mit dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.

Mit Verfügung vom 17. September 1998 setzte der zuständige Instruktionsrichter der ARK im Sinne einer vorsorglichen Massnahme den Wegweisungsvollzug bis zum Entscheid über das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde aus.

Die ARK weist die Beschwerde ab.

Aus den Erwägungen:

2. Die angefochtene Verfügung des BFF stützt sich auf den Nichteintretenstatbestand von Art. 16abis AsylG. Diese Bestimmung wurde mit dem am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen Bundesbeschluss vom 26. Juni 1998 über dringliche Massnahmen im Asyl- und Ausländerbereich (BMA; AS 1998 1582 ff.) ins Asylgesetz aufgenommen.

Die mit dem BMA ins Asylgesetz eingeführten Bestimmungen finden gemäss der entsprechenden Uebergangsbestimmung keine Anwendung auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens des BMA bereits hängige Asylverfahren. Nachdem indessen der Beschwerdeführer sein Asylgesuch erst am 27. beziehungsweise 28. Juli 1998, mithin nach Inkrafttreten des BMA, gestellt hat, ist das neue Recht anwendbar.

4. a) Gemäss Art. 16abis Abs. 1 AsylG wird auf das Asylgesuch einer Person, die sich illegal in der Schweiz aufhält, nicht eingetreten, wenn sie offensichtlich bezweckt, den drohenden Vollzug einer Weg- oder Ausweisung zu ver-


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meiden. Ein derartiger missbräuchlicher Zweck ist gemäss Abs. 2 der Bestimmung namentlich dann zu vermuten, wenn das Asylgesuch in engem zeitlichem Zusammenhang mit einer Verhaftung, einem Strafverfahren, dem Vollzug einer Strafe oder dem Erlass einer Wegweisungsverfügung eingereicht wird. Nicht anwendbar ist der Nichteintretenstatbestand von Art. 16abis AsylG, wenn sich Hinweise auf eine Verfolgung ergeben oder wenn eine frühere Einreichung des Asylgesuches nicht möglich oder nicht zumutbar war (Art. 16abis Abs. 3 AsylG).

b) Art. 16abis Abs. 3 AsylG äussert sich nicht ausdrücklich zu den Beweismassanforderungen, denen die Hinweise auf eine Verfolgung zu genügen haben, um einen Nichteintretensentscheid auszuschliessen. In der bundesrätlichen Botschaft wird in diesem Zusammenhang auf die bereits in Art. 16 Abs. 2
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
AsylG enthaltene identische Formulierung sowie auf die hierzu bestehende Praxis der Asylbehörden (vgl. EMARK 1993 Nr. 16, EMARK 1993 Nr. 17, EMARK 1994 Nr. 6) hingewiesen und ausgeführt, vorauszusetzen seien diesbezüglich Hinweise auf eine Verfolgung, die nicht offensichtlich als haltlos zu beurteilen seien (vgl. Botschaft zum Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen im Asyl- und Ausländerbereich vom 13. Mai 1998, BBl 1998 S. 3232).

c) Wie in der angefochtenen Verfügung zutreffend festgehalten und schlüssig begründet wird, vermögen die unsubstantiierten, in weiten Zügen tatsachenwidrigen und überdies widersprüchlichen Vorbringen des Beschwerdeführers diesen - tief angesetzten - Voraussetzungen nicht zu genügen und können nicht als Hinweise auf eine Verfolgung im Sinne von Art. 16abis Abs. 3 AsylG gelten.

So existiert in Sierra Leone - im Gegensatz zu den Angaben des Beschwerdeführers, er und sein Bruder seien von den Rebellen der "People Liberation Front (PLF)", welche das Gebiet um die Stadt Limba kontrolliere, während sechs Monaten unter Zwang festgehalten worden - weder eine Rebellenorganisation des behaupteten Namens noch eine Stadt oder ein Gebiet namens Limba. Als tatsachenwidrig erweisen sich bereits die angeblichen Umstände der Festnahme durch jene Rebellen an der - in Wirklichkeit nicht existierenden - Grenze zwischen Sierra Leone und Gambia. Zum behaupteten, immerhin angeblich sechs Monate dauernden Aufenthalt in jenem Basislager der Rebellen vermochte der Beschwerdeführer sodann nur durchwegs unsubstantiierte, vage, in keiner Weise anschauliche Angaben zu machen; in zeitlicher Hinsicht sind seine Darstellungen überdies widersprüchlich, will er doch während sechs


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Monaten - von Dezember 1995 bis Juli 1996 - im Rebellenlager gewesen sein beziehungsweise erst im September 1996 beziehungsweise gar erst im Dezember 1996 aus dem Lager geflüchtet sein. Auch die angebliche Flucht aus dem Rebellenlager vermochte der Rekurrent des weiteren nur in durchaus unsubstantiierter und wiederum widersprüchlicher Weise darzustellen; einerseits sollen er und sein Bruder jemanden getroffen haben, der sie zu Fuss aus dem Lager habe herausbringen können; andererseits soll es dem Bruder gelungen sein, zusammen mit andern ein Fahrzeug zu stehlen, mit dem man dann habe fliehen können. Schliesslich sind auch die Angaben des Beschwerdeführers zur angeblichen Reiseroute von Sierra Leone bis nach Europa - namentlich wonach man von Sierra Leone als erstes nach Burkina Faso gelangt sei, welches Land gar nicht an Sierra Leone angrenzt, oder wonach die Reiseroute unter anderem auch über Libyen geführt habe - in verschiedener Hinsicht tatsachenwidrig.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung handelt es sich bei den erwähnten Tatsachenwidrigkeiten und Widersprüchen nicht nur um "kleinste Unstimmigkeiten" oder um eine blosse "Vermutung"), sondern im Gegenteil um massivste Ungereimtheiten, die den angeblichen Erlebnissen des Rekurrenten in Sierra Leone jegliche glaubhafte Grundlage entziehen. Unbehelflich bleibt sodann der Hinweis, wonach der Beschwerdeführer über die Sprachenvielfalt in seinem Heimatland habe Auskunft geben können, zumal von der sierraleonischen Sprachenvielfalt im Rahmen der Asylanhörung überhaupt nie die Rede gewesen ist. Ebenso unbehelflich - da nämlich auch hierauf weder in der Asylanhörung noch in den Erwägungen des BFF in der angefochtenen Verfügung Bezug genommen wurde - bleiben die weiteren Ausführungen im Rekursverfahren, dass das Fehlen von Reisepapieren nicht gegen die Glaubhaftigkeit der Vorbringen sprechen könne, nachdem tatsächlich verfolgte Personen erfahrungsgemäss ohne Identitätsdokumente fliehen würden.

d) Ebenfalls in keiner Weise zu überzeugen vermögen sodann die Ausführungen im Beschwerdeverfahren, wonach es dem Beschwerdeführer nicht möglich beziehungsweise nicht zumutbar gewesen sei, sein Asylgesuch früher einzureichen, weshalb die Vorinstanz - gemäss Art. 16abis Abs. 3 Bst. a AsylG - auf das Gesuch hätte eintreten müssen. Im wesentlichen macht der Rekurrent diesbezüglich geltend, er habe nicht früher ein Asylgesuch stellen können, da er ungebildet sei und gar nicht gewusst habe, dass es so etwas wie Asyl überhaupt gebe und von dieser Möglichkeit in der Ausschaffungshaft zum ersten Mal gehört habe.


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Angesichts der Schulbildung des Rekurrenten - der in Sierra Leone sechs Jahre die Primarschule und in den USA weitere sieben Jahre lang die High School besucht habe - ebenso wie angesichts seiner vorgetragenen Lebensgeschichte - wonach er in den USA als Sohn eines Arztes und einer Lehrerin aufgewachsen sei, eine in London lebende Schwester habe sowie selber seit Dezember 1997 bis zur Einreichung seines Asylgesuches im Juli 1998 mehrere Monate in Europa verbracht habe - müssen diese Darstellungen ganz offenkundig als unglaubhafte Schutzbehauptung gewertet werden.

e) Eigenen Angaben zufolge hielt sich der Beschwerdeführer bereits im Frühling 1998 ein erstes Mal in der Schweiz auf, ohne damals indessen um Asyl zu ersuchen, wie er im übrigen auch in Deutschland kein Asylgesuch eingereicht habe. Ungefähr Mitte Juni 1998 soll er sodann erneut in die Schweiz eingereist sein und hat sich in der Folge illegal hier aufgehalten, bis er am 22. Juli 1998 in strafrechtlich relevantem Zusammenhang festgenommen worden ist. Erst nachdem er einerseits von der Bezirksanwaltschaft Zürich am 24. Juli 1998 strafrechtlich verurteilt und in der Folge von der Fremdenpolizei des Kantons Zürich am 25. beziehungsweise 27. Juli 1998 unter Anordnung der Ausschaffung und der Ausschaffungshaft weggewiesen worden war, stellte er sein Asylgesuch. Nicht von Relevanz sind im vorliegenden Verfahren die Ausführungen des Beschwerdeführers zum strafrechtlichen Delikt, dessentwegen er verurteilt worden sei, beziehungsweise zu seiner Unschuld bezüglich der strafrechtlichen Vorwürfe; ausschlaggebend ist vielmehr, dass der Beschwerdeführer sein Asylgesuch erst im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der strafrechtlichen Verurteilung und der fremdenpolizeilichen Wegweisung gestellt hat, obwohl ihm eine frühere Einreichung
eines Asylgesuches fraglos möglich und zumutbar gewesen wäre.

Gestützt auf die gesetzliche Vermutung von Art. 16abis Abs. 2 AsylG ging das BFF unter diesen Voraussetzungen zu Recht davon aus, das Asylgesuch des Beschwerdeführers sei offensichtlich in der missbräuchlichen und zweckwidrigen Absicht gestellt worden, den drohenden Wegweisungsvollzug zu vermeiden; zu Recht erachtete das BFF somit Art. 16abis Abs. 1 AsylG als anwendbar und trat auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers gestützt auf diese Bestimmung nicht ein. Dass sich aus der Asylanhörung des Rekurrenten keinerlei Hinweise auf eine Verfolgung ergeben haben, und dass der Rekurrent auch nicht hat glaubhaft dartun können, eine frühere Einreichung seines Asylgesuches sei ihm nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen, wurde oben ausgeführt.


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f) Zusammenfassend ergibt sich, dass das BFF auf das Asylgesuch des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 16abis AsylG zu Recht und mit zutreffender Begründung nicht eingetreten ist.

5. (...)

c) Ein Wegweisungsvollzug - auch durch Ausschaffung des Rekurrenten nach Sierra Leone - ist mit dem in Art. 45
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 45 - 1 Die Wegweisungsverfügung enthält:
1    Die Wegweisungsverfügung enthält:
a  unter Vorbehalt völkerrechtlicher Verträge, insbesondere der Dublin-Assoziierungsabkommen131, die Verpflichtung der asylsuchenden Person, die Schweiz sowie den Schengen-Raum zu verlassen sowie die Verpflichtung zur Weiterreise in den Herkunftsstaat oder in einen weiteren Staat ausserhalb des Schengen-Raumes, welcher die Person aufnimmt;
b  unter Vorbehalt völkerrechtlicher Verträge, insbesondere der Dublin-Assoziierungsabkommen, den Zeitpunkt, bis zu dem sie die Schweiz sowie den Schengen-Raum zu verlassen hat; bei Anordnung einer vorläufigen Aufnahme wird die Frist für die Ausreise erst mit dem Aufhebungsentscheid festgesetzt;
c  die Androhung von Zwangsmitteln;
d  gegebenenfalls die Bezeichnung der Staaten, in welche die Asylsuchende Person nicht zurückgeführt werden darf;
e  gegebenenfalls die Anordnung einer Ersatzmassnahme anstelle des Vollzugs;
f  die Bezeichnung des für den Vollzug der Wegweisung oder der Ersatzmassnahme zuständigen Kantons.
2    Mit der Wegweisungsverfügung ist eine angemessene Ausreisefrist zwischen sieben und dreissig Tagen anzusetzen. Die Ausreisefrist bei Entscheiden, welche im beschleunigten Verfahren getroffen wurden, beträgt sieben Tage. Im erweiterten Verfahren beträgt sie zwischen sieben und dreissig Tagen.134
2bis    Eine längere Ausreisefrist ist anzusetzen oder die Ausreisefrist wird verlängert, wenn besondere Umstände wie die familiäre Situation, gesundheitliche Probleme oder eine lange Aufenthaltsdauer dies erfordern.135
3    Die Wegweisung ist sofort vollstreckbar oder es kann eine Ausreisefrist von weniger als sieben Tagen angesetzt werden, wenn die betroffene Person aufgrund der Dublin-Assoziierungsabkommen weggewiesen wird.136
4    Der asylsuchenden Person ist ein Informationsblatt mit Erläuterungen zur Wegweisungsverfügung abzugeben.137
AsylG verankerten Refoulement-Verbot vereinbar, da es dem Beschwerdeführer, wie oben ausgeführt wurde, nicht gelungen ist, eine im Sinne von Art. 3 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
AsylG asylrechtlich erhebliche Gefährdung glaubhaft zu machen. Es ergeben sich auch weder aus den Ausführungen des Beschwerdeführers noch aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall einer Ausschaffung nach Sierra Leone dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nach Art. 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
EMRK verbotenen Strafe oder Behandlung ausgesetzt wird; die im Rekursverfahren ohne nähere Ausführungen vorgetragenen Behauptungen, wonach die Lage in Sierra Leone durch ein terroristisches Regime, eine Missachtung der Grundrechte und eine nicht objektive Gerichtsbarkeit geprägt werde, erweisen sich als nicht geeignet, eine drohende menschenrechtswidrige Behandlung des Beschwerdeführers hinlänglich aufzuzeigen.

Der Vollzug der Wegweisung ist somit im Sinne der völkerrechtlichen Bestimmungen zulässig.

d) Zu Recht hat die Vorinstanz sodann auch einen Wegweisungsvollzug nach Sierra Leone als zumutbar gewürdigt. In zutreffenden Erwägungen - mit denen sich der Beschwerdeführer im übrigen nicht auseinandersetzt - legt die Vorinstanz dar, dass angesichts der Wiederherstellung der ursprünglichen Machtverhältnisse, wie sie vor dem Militärputsch von Mai 1997 bestanden, und der Wiedereinsetzung des demokratisch gewählten Staatspräsidenten Kabbah in sein Amt aufgrund der heutigen Verhältnisse in Sierra Leone nicht von einer Situation allgemeiner Gewalt ausgegangen werden muss, die für den Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr eine konkrete Gefährdung im Sinne von Art. 14a Abs. 4
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
ANAG darstellen würde.


Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 1998-33-272-279
Datum : 26. Juni 1998
Publiziert : 26. Juni 1998
Quelle : Vorgängerbehörden des BVGer bis 2006
Status : Publiziert als 1998-33-272-279
Sachgebiet : Sierra
Gegenstand : Art. 16abis Abs. 1-3 AsylG[1]: Nichteintreten auf ein Asylgesuch, missbräuchliche Nachreichung eines Asylgesuches.


Gesetzesregister
ANAG: 14a
AsylG: 3 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 3 Flüchtlingsbegriff - 1 Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
1    Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden.
2    Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken. Den frauenspezifischen Fluchtgründen ist Rechnung zu tragen.
3    Keine Flüchtlinge sind Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Vorbehalten bleibt die Einhaltung des Abkommens vom 28. Juli 19514 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention).5
4    Keine Flüchtlinge sind Personen, die Gründe geltend machen, die wegen ihres Verhaltens nach der Ausreise entstanden sind und die weder Ausdruck noch Fortsetzung einer bereits im Heimat- oder Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Vorbehalten bleibt die Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951.6
16 
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 16 Verfahrenssprache - 1 Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
1    Eingaben an Bundesbehörden können in jeder Amtssprache eingereicht werden. Der Bundesrat kann vorsehen, dass Eingaben von Asylsuchenden, die von einer bevollmächtigten Person vertreten werden, in Zentren des Bundes in der Amtssprache des Standortkantons des Zentrums eingereicht werden.37
2    Verfügungen oder Zwischenverfügungen des SEM werden in der Sprache eröffnet, die am Wohnort der Asylsuchenden Amtssprache ist.38
3    Das SEM kann von Absatz 2 abweichen, wenn:
a  die asylsuchende Person oder deren Rechtsvertreterin oder Rechtsvertreter einer anderen Amtssprache mächtig ist;
b  dies unter Berücksichtigung der Gesuchseingänge oder der Personalsituation für eine effiziente und fristgerechte Gesuchserledigung erforderlich ist;
c  die asylsuchende Person von einem Zentrum des Bundes einem Kanton mit einer anderen Amtssprache zugewiesen wird.39
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SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG)
AsylG Art. 45 - 1 Die Wegweisungsverfügung enthält:
1    Die Wegweisungsverfügung enthält:
a  unter Vorbehalt völkerrechtlicher Verträge, insbesondere der Dublin-Assoziierungsabkommen131, die Verpflichtung der asylsuchenden Person, die Schweiz sowie den Schengen-Raum zu verlassen sowie die Verpflichtung zur Weiterreise in den Herkunftsstaat oder in einen weiteren Staat ausserhalb des Schengen-Raumes, welcher die Person aufnimmt;
b  unter Vorbehalt völkerrechtlicher Verträge, insbesondere der Dublin-Assoziierungsabkommen, den Zeitpunkt, bis zu dem sie die Schweiz sowie den Schengen-Raum zu verlassen hat; bei Anordnung einer vorläufigen Aufnahme wird die Frist für die Ausreise erst mit dem Aufhebungsentscheid festgesetzt;
c  die Androhung von Zwangsmitteln;
d  gegebenenfalls die Bezeichnung der Staaten, in welche die Asylsuchende Person nicht zurückgeführt werden darf;
e  gegebenenfalls die Anordnung einer Ersatzmassnahme anstelle des Vollzugs;
f  die Bezeichnung des für den Vollzug der Wegweisung oder der Ersatzmassnahme zuständigen Kantons.
2    Mit der Wegweisungsverfügung ist eine angemessene Ausreisefrist zwischen sieben und dreissig Tagen anzusetzen. Die Ausreisefrist bei Entscheiden, welche im beschleunigten Verfahren getroffen wurden, beträgt sieben Tage. Im erweiterten Verfahren beträgt sie zwischen sieben und dreissig Tagen.134
2bis    Eine längere Ausreisefrist ist anzusetzen oder die Ausreisefrist wird verlängert, wenn besondere Umstände wie die familiäre Situation, gesundheitliche Probleme oder eine lange Aufenthaltsdauer dies erfordern.135
3    Die Wegweisung ist sofort vollstreckbar oder es kann eine Ausreisefrist von weniger als sieben Tagen angesetzt werden, wenn die betroffene Person aufgrund der Dublin-Assoziierungsabkommen weggewiesen wird.136
4    Der asylsuchenden Person ist ein Informationsblatt mit Erläuterungen zur Wegweisungsverfügung abzugeben.137
EMRK: 3
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 3 Verbot der Folter - Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
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EMARK
1993/16 • 1993/17 • 1994/6
AS
AS 1998/1582
BBl
1998/3232